Die Diakonie feierte am 22. September ihr Jubiläum mit Gästen aus Politik, Gesellschaft, Freier Wohlfahrt, Diakonie und Kirche in Berlin. Festredner Bundeskanzler Olaf Scholz dankte der Diakonie für ihren Einsatz und ihr Engagement. Auch das Thema Demokratie war sehr präsent.
Als Geburtsstunde der Diakonie gilt die Stegreifrede des Hamburger Theologen Johann Hinrich Wichern am 22. September 1848 auf dem Evangelischen Kirchentag in Wittenberg. Mit scharfen Worten kritisierte Wichern damals die Untätigkeit seiner Kirche angesichts der dramatischen sozialen Lage und der Verelendung großer Teile der Bevölkerung im Zuge der Industrialisierung. Wichern forderte ein Netzwerk der „rettenden Liebe“ und läutete damit den Beginn der modernen Diakonie ein. Aus diesem Weckruf entwickelte sich im Laufe der Epochen ein professioneller Sozialverband und einer der größten Arbeitgeber des Landes. Heute arbeiten 630.000 Menschen in der Diakonie und 700.000 freiwillig Engagierte sind im dichten Netz der Diakonie aktiv.
Diakonie-Präsident Ulrich Lilie ging in seiner Jubiläumsrede auf die aktuelle politische und gesellschaftliche Situation ein, die viele Menschen verunsichere. „Und auch heute sind wir wieder gefragt, wie wir auf grundlegende und komplexe Veränderungen aus Liebe und aus Glauben, zumindest aber verantwortlich und fair antworten wollen. Wir alle - nicht die Anderen“, so Lilie. Wissenschaftler würden von einem „Epochenbruch“ sprechen, den die westlichen Gesellschaften und Demokratien gegenwärtig erlebten. Dies gelte für den brutalen Angriffskrieg Russlands auf die Menschen in der Ukraine ebenso wie für die Fragen einer gerechten Gestaltung des dramatischen globalen Klimawandels. Neben den globalen Machtverschiebungen und der sozial-ökologischen Transformation vollziehe sich zeitgleich und mit großer Geschwindigkeit die Digitalisierung aller Lebensbereiche.
„Die Vorstellungen von einem guten Leben gehen immer weiter auseinander und immer mehr Menschen werden veränderungserschöpft und demokratiemüde angesichts des schnellen Wandels von Werten und Maßstäben und unsicher gewordener Aufstiegsversprechen“, so Lilie. Er sei überzeugt, dass diese Jahrhundertherausforderungen und die damit verbundene Verunsicherung vieler Menschen nur dann erfolgreich bewältigt und gestaltet werden könnten, wenn Politik und Zivilgesellschaft zu einem neuen Miteinander fänden. „Zivilisierte und öffentliche Religion gehört unbedingt dazu. So, dass sich die immer unterschiedlicher werdenden Menschen im Essener Norden wie im ländlichen Speckgürtel von München dabei ernstgenommen, gehört, beteiligt und selbstwirksam erleben können“, so Lilie.
Die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Annette Kurschus, erinnerte in ihrer Gratulation an die wichtige gesellschaftliche Rolle, die Kirche und Diakonie heute für das Zusammenleben haben: „Alle, die sich gegenwärtig darum mühen, den demokratischen Zusammenhalt unserer Gesellschaft zu sichern und zu stärken, sollen und müssen wissen – und zwar ohne den Hauch eines Zweifels! –, dass Kirche und Diakonie dabei sind. Wir werden unser Möglichstes dazu beitragen, dass Recht Recht und Freiheit Freiheit bleibt.“ Jüngstes Beispiel sei die Forderung der Diakonie, mindestens 20 Milliarden Euro für eine Kindergrundsicherung aufzuwenden. „Solche diakonischen Einreden in die Politik wagen wir in der Spur Jesu Christi, sie sind praktiziertes Evangelium! Und als praktiziertes Evangelium sind sie angewandte Demokratie“, so Kurschus bei der Jubiläumsveranstaltung.
Diakonie-Sozialvorständin Maria Loheide und Finanzvorstand Jörg Kruttschnitt dankten Mitarbeitenden und Ehrenamtlichen, die sich jeden Tag und oft auch nachts für die Diakonie und damit für die Menschen einsetzen: im Kampf gegen Armut und Obdachlosigkeit, in der Beratung und Seelsorge, für Familie und Frauen, für Menschen mit Behinderungen, im Bereich Flucht und Migration, in der Kinder- und Jugendhilfe sowie in der Pflege und für ältere Menschen.
Zum Abschluss des Jubiläumsjahres will die Diakonie Impulse für die Zukunft setzen, neue Allianzen schmieden und eine Plattform für Zukunftskonzepte sein: Beim Kongress »Vision 2048« am 24. und 25. November 2023 in Leipzig stellen sich innovative gemeinnützige Projekte vor und vernetzen sich. Sie kommen mit Förderern aus Institutionen und Stiftungen ins Gespräch und bereiten den Boden für die Zukunft.
Weitere Eindrücke von der Veranstaltung, die Festreden sowie Informationen zur Jubiläumskampagne finden Sie hier:
Diakonie Deutschland – 175 Jahre #ausLiebe
https://www.instagram.com/diakonie_deutschland/
Foto: Diakonie/Gerhard Westrich